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Modellprojekt Entgeltgleichheit

»Weil Frau es sich mehr als verdient hat«

© AdobeStock I Monster Ztudio

Gleiche oder gleichwertige Arbeit muss Frauen und Männern gleich vergütet werden. Obgleich das Gebot der Entgeltgleichheit europarechtlich und verfassungsrechtlich seit mehreren Jahrzehnten garantiert ist, besteht die geschlechtsspezifische Entgeltlücke durchgängig fort – der sogenannte Gender Pay Gap. Auch wenn sich dieser in Deutschland seit Jahren verringert hat, erhalten Frauen in Deutschland nach aktuellen Angaben von Destatis für das Jahr 2023 immer noch durchschnittlich brutto 18 Prozent weniger Stundenlohn als ihre männlichen Kollegen. Demnach erhielten sie im Jahr 2023 mit durchschnittlich 20,84 Euro einen um 4,46 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (25,30 Euro). Der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern setzt sich im Alter fort – Frauen erhalten weniger Rente als Männer und können so in eine Armutsfalle geraten.

Eine Vollbildschirmdarstellung der Landkarten ermöglicht das Geoportal Sachsenatlas

Wie aber ist die Situation für Frauen im Freistaat Sachsen? Die sogenannte unbereinigte Lohnlücke, die Differenz des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes der Frauen und Männer im Verhältnis zum Bruttostundenverdienst der Männer, betrug im Freistaat Sachsen im Jahr 2021 zum Nachteil von Frauen nach Angaben von DESTATIS immer noch neun Prozent. Damit ist sie in Sachsen, wie auch in anderen ostdeutschen Bundesländern, zumindest einstellig. Doch ist vor dem Hintergrund des Gebotes der Entgeltgleichheit jedes einzelne Prozent zuviel und nur eine vollständige Schließung der Entgeltlücke vertretbar.

Was im Vergleich mit dem bundesweiten Wert zudem auf den ersten Blick auf gleichberechtigtere Chancen von Frauen in Sachsen hindeutet, erweist sich nach Berechnungen des Institutes für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) für Vollzeitbeschäftigte bei näherer Betrachtung als Trugschluss. Im Jahr 2022 erhielten vollzeitbeschäftigte sozialversicherte Frauen in Sachsen ein Tagesentgelt von 101,54 Euro und Männer von 109,28 Euro.

Dass Frauen in Sachsen mehr verdienen müssten, ergibt sich aus der Berechnung der sog. bereinigten Lohnlücke, also dem Verdienstabstand von Männern und Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien, der für gewöhnlich niedriger ausfällt. Anders jedoch in Sachsen, wo dieser bereinigte Gender Pay Gap im Jahr 2022 bei 11 Prozent gegenüber dem unbereinigten Gender Pay Gap von 7,3 Prozent lag (hier berechnet als relative Differenzen zwischen dem durchschnittlichen Tagesentgelten von Frauen und Männern).

Zwischen den sächsischen Kreisen existieren dabei große Unterschiede. Den größten unbereinigten Gender Pay Gap hat der Landkreis Zwickau (11,2 Prozent), der geringste Wert findet sich im Landkreis Görlitz (1,2 Prozent). Die Differenz für Sachsen zeigt, dass Frauen bezüglich wichtiger lohnbestimmender Faktoren besser ausgestattet sind als Männer. Dies gilt insbesondere für den ausgeübten Beruf und die Qualifikation. Sie müssten damit sogar ein höheres Entgelt als Männer erhalten. Das Ergebnis spricht der IAB-Studie zufolge für das Vorhandensein institutioneller und kultureller Rahmenbedingungen, die zu einer Benachteiligung von Frauen auf den Arbeitsmarkt und zu geringeren Löhnen führen.

Gleicher Job, aber anderes Gehalt? Die Ursachen dafür sind vielfältig und eng miteinander verwoben. Für den Lohnunterschied bei Vollzeitbeschäftigten benennt die IAB-Studie als zentralen Punkte die geschlechtsspezifische (Studien- und) Berufswahl und die geschlechtsspezifische Sozialisation.

Demnach sind Frauen in Sachsen im gesundheitlichen und sozialen Bereich überrepräsentiert, während ein höherer Anteil an Männern in technischen und verarbeitenden Berufen tätig ist. Frauen wählen überdies häufiger Berufe, die eine bessere Vereinbarkeit von Berufstätigkeit mit Familien- und Pflegeaufgaben ermöglichen und arbeiten häufiger in Teilzeit. Dahinter stehen unter anderem tief verwurzelte unbewusste Normen und Werte sowie fehlende Vorbilder.

Neben den geschlechtsspezifischen Unterschieden bei der Besetzung von Führungspositionen existieren zudem Lohnunterschiede im Qualifikationsniveau: Mit zunehmender Qualifikation steigt auch in Sachsen der Gender Pay Gap. Zudem beeinflusst die Betriebsgröße den Gender Pay Gap. So finden sich die höchsten unbereinigten Lohnlücken in Kleinstbetrieben mit 1 bis 10 Beschäftigten und in Großbetrieben mit mehr als 250 Beschäftigten. Gründe dafür sind beispielsweise in Kleinstbetrieben das Fehlen innerbetrieblicher Arbeitnehmerstrukturen wie Betriebsräte, die Lohnnachteile von Frauen reduzieren könnten.

Auch die Berufswahl spielt mit hinein: In Großbetrieben ist der Anteil der typischen Frauenberufe größer, die zudem vergleichsweise niedrig entlohnt werden. Schließlich hat die Siedlungsstruktur Auswirkungen. Demzufolge sind sowohl das Lohnniveau als auch der Gender Pay Gap in Städten höher als in ländlichen Regionen.

Die IAB-Studie gibt folgende Handlungsempfehlungen ab, um die Lohnlücke zu schließen:

  • Gender Pay Gap in den Köpfen angehen: Geschlechtsstereotype und Rollenbilder hinterfragen – Vorbilder für Frauen und Männer sind wichtig!
  • Diese Vorbilder sollten angemessen publik gemacht werden, damit sie von jungen Frauen und Männern auch positiv wahrgenommen werden können.
  • Betriebliche Such- und Auswahlprozesse bei Personalfragen sollten gleichwertige Chancen für Frauen und Männer bieten.
  • Mentoringprogramme und Sponsoren können Frauen bei ihrer Karriere unterstützen.
  • Vereinbarkeit nicht nur von Mutterschaft, sondern auch von Vaterschaft und Familie fördern.
  • Nutzung der Chancen von Homeoffice für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Graphic Recording der Abschlussveranstaltung © SMJusDEG I Antje Dennewitz

Über Geld spricht man nicht? Weil Frau in Sachsen es sich mehr als verdient hat, ist es jetzt an der Zeit das zu ändern und mit dem Modellprojekt Entgeltgleichheit gezielt zu mehr Transparenz und Bewusstseinsbildung beizutragen. Hintergrund des Modellprojektes ist die Vereinbarung der Koalitionspartner »mit dem Ziel einer gerechten Entlohnung von gleicher und gleichwertiger Arbeit … gemeinsam mit den Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften geschlechterspezifische Entgeltstrukturen schrittweise« abzubauen (KoalV, S. 105). Dazu ist im Sofortprogramm »Start 2020« das Modellprojekt Entgeltgleichheit des SMJusDEG vorgesehen, welches »Maßnahmen zur Information und Beratung über die Themen Entgeltgleichheit und Entgelttransparenz für Beschäftigte im Freistaat Sachsen« beinhalten soll.

Das Modellprojekt ist mit einer Bestandsaufnahme durch die fortgeschriebene Studie des IAB zu geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden im Freistaat Sachsen gestartet. Aufbauend auf den Studienergebnissen stellt SMJusDEG auf dieser interaktiven und ständig weiterentwickelten Informationswebseite auch regionenspezifische Kartenviewer für den Freistaat Sachsen und weiterführende Informationen für Beschäftigte und Arbeitgebende zur Verfügung.

Ziel ist es, Transparenz zu schaffen und zur Bewusstseinsbildung beizutragen. Lohndiskriminierungen sind in der Regel nicht beabsichtigt, aber haben erhebliche Auswirkungen auf die gesellschaftlichen Teilhabechancen von Frauen. Dazu hat SMJusDEG in Kooperation mit dem DGB Sachsen unter Mitwirkung von Expertinnen und Expertinnen aus Wissenschaft und Praxis die vierteilige Workshopreihe "Gender Pay Gap in Sachsen" durchgeführt. Als Ergebnispapier wurde im September 2023 der Maßnahmenkatalog "Entgeltgleichheit in Sachsen" veröffentlicht. Die Abschlussdokumentation der Workshopreihe wurde im März 2024 herausgegeben. 

Im Jahr 2024 wird das Modellprojekt Entgeltgleichheit mit drei geplanten Fachgesprächen fortgeführt. 

Das Thema wird außerdem fortlaufend in der Arbeitsgruppe »Arbeitsmarkt für Frauen« der Gleichstellungs- und Frauenministerinnenkonferenz (GFMK) sowie durch die sächsische Vertretung der GFMK in der Bundesinitiative Klischeefrei - Nationale Kooperationen zur Berufs- und Studienwahl behandelt.

Der Freistaat Sachsen setzt sich über den Bundesrat und die GFMK für eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen, wie beispielsweise einer Fortentwicklung des Entgelttransparenzgesetzes sowie die Verabschiedung der EU-Lohntransparenzrichtlinie sowie der EU-Aufsichtsrätinnenrichtlinie ein.

© AdobeStock I Hyejin Kang

Wie aber kann ich mich als Beschäftigte über die Gehaltsstruktur in meinem Unternehmen informieren? Wenn Sie in einem Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten arbeiten, steht ihnen gegenüber ihrem Arbeitgebenden seit Januar 2018 gemäß § 10 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) ein individueller Auskunftsanspruch auf Mitteilung des Vergleichsgehalts einer Mitarbeitendengruppe von sechs Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts und die Kriterien der Entgeltfindung zu. Dieser hat schriftlich zu erfolgen (s. Musterformulare).  Der Anspruch kann alle zwei Jahre geltend gemacht werden.

Da jedoch viele Frauen in Sachsen eher in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mit weniger Beschäftigten arbeiten, haben sie keinen rechtlichen Auskunftsanspruch. Lohndiskriminierung ist jedoch in der Regel nicht beabsichtigt. Arbeitgebende können also immer freiwillig Auskunft über ein Vergleichsgehalt männlicher Beschäftigter geben. Suchen Sie also das Gespräch mit ihrer Führungsperson und lassen Sie sich durch ihre Betriebsräte und ihre Gleichstellungsbeauftragte beraten. Außerdem können sie sich mit ihren Fragen auch an das Antidiskriminierungsbüro Sachsen wenden.

Zur Vorbereitung ist die Recherche vergleichbarer Entgelte im Internet zu empfehlen, das mittlerweile verschiedene kostenlose Gehaltsrechner und Informationen über tarifliche Vergütung bereitstellt. Der seit 2020 in einer neuen Fassung verfügbare Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit kann beispielsweise nach über 4.000 Berufsbezeichnungen durchsucht werden und liefert das durchschnittliche Bruttoentgelt im gewünschten Beruf aus. Über Filtersuche kann neben den Angaben des Durchschnittslohns im jeweiligen Beruf in Deutschland oder den einzelnen Bundesländern der Verdienst auch nach Geschlecht und Altersgruppe unterschieden werden. Zu Verdiensten und Verdienstunterschieden bereitet zudem DESTATIS verschiedene Daten auf.

Was kann ich denn als Beschäftigte tun, wenn sich nach der Mitteilung des Vergleichsentgeltes männlicher Beschäftigter eine Entgeltdiskriminierung abzeichnet? Dann können Sie gegenüber dem Arbeitgebenden einen Anspruch auf angleichende Gehaltserhöhung geltend machen. Diese Anpassung kann freiwillig erfolgen oder muss gerichtlich im Wege einer Entgeltgleichheitsklage durchgesetzt werden. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes wird übrigens beim Vorliegen der Gehaltsdifferenz bereits eine Entgeltdiskriminierung vermutet und es ist an den Arbeitgebenden nachzuweisen, dass diese nicht wegen des Geschlechtes erfolgt (BAG, Urteil vom 21. Januar 2021, Az. 8 AZR 488/19). 

© AdobeStock I calypso77

Eine faire Lohnpolitik ist für viele Unternehmen in Sachsen ein Anliegen. Benachteiligungen von Frauen entstehen in der Regel eher unbewusst, weil einfach nicht genug Transparenz vorhanden ist. Deshalb lohnt sich die freiwillige betriebliche Prüfung, ob Frauen für gleiche oder gleichwertige Arbeit tatsächlich gleich bezahlt werden.

Betriebsinterne Entgeltgleichheitsprüfungen nach dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) sind zwar derzeit nur für Betriebe ab 500 Mitarbeitende verpflichtend. Nur diese haben auch eine Berichtspflicht. Allerdings können und sollten auch kleine und mittlere Unternehmen freiwillige betriebliche Prüfungen durchführen und damit Entgelttransparenz schaffen. Nur so können etwaige Ungleichheiten beseitigt und dies auch nachhaltig kommuniziert werden. Außerdem bringt die Digitalisierung eine Änderung von Tätigkeiten und Anforderungen an die Beschäftigten mit sich, auf die sie rechtzeitig reagieren können. Entgeltgleichheit ist ein Aushängeschild, durch das junge Beschäftigte gewonnen und zugleich qualifizierte Beschäftigte gehalten werden. Es bezeugt echte Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten.

Welche geeigneten Verfahren für Entgeltprüfungen gibt es? Für Lohngleichheitsanalysen stehen verschiedene Analysetools zur Verfügung, die im vom BMAS beauftragten FPI-Tool-Kompass beschrieben sind. Dazu gehören beispielsweise die Tools Lohngleichheit im Betrieb – Deutschland (Logib-D), der Entgeltgleichheitscheck (eg-Check) oder das Tool Evaluierung von Arbeitsbewertungsverfahren (EVA-Liste). Mit dem Selbsttest Gleichstellungscheck für kleine und mittlere Unternehmen (KMU-Gleichstellungscheck) können zudem KMU in den vier personalpolitischen Themenbereichen Personalrekrutierung, Arbeitsbedingungen, Arbeitsentgelt und Kommunikation selber testen, ob Handlungsbedarf besteht und erhalten einfach umzusetzende Praxisempfehlungen. Der weltweit anerkannte Universal Fair Pay Check unter Schirmherrschaft des Bundesarbeitsministers ist ein weiteres international anerkanntes Prüfverfahren und bietet neben der Analyse auch eine Zertifizierung. 

Das auf drei Jahre angelegte Unternehmensprogramm des BMFSFJ mit dem Portal »Entgeltgleichheit fördern« bietet weitere Informationen und Hilfestellungen. Im Rahmen des bundesweiten Unternehmenswettbewerbes »German Equal Pay Award« wurden zudem 2022 und 2023 von BMFSFJ Unternehmen ausgezeichnet, die sich in besonderer Weise für die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern in ihrem Betrieb einsetzen.

Der Gender Pay Gap kann im öffentlichen Dienst als durchaus geringer eingeschätzt werden als in der Privatwirtschaft. 2016 lag er nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bei 9 Prozent. Der geringe Vorsprung ist durch die Verteilung von Leitungsaufgaben im öffentlichen Dienst zu erklären, welche eher von Männern ausgeübt werden. Frauen sind auch in Sachsen seltener in Führungspositionen vertreten als Männer. Zu vermuten ist auch, dass der geringere Gender Pay Gap mit der Tarifbindung des öffentlichen Dienstes zusammenhängt. 

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